Lebensgefühl Rockmusik HH aus EE
Roßtrappe per Sessel-Lift 22.02.2015 Mein Gott, wie schnell doch die Zeit vergeht! Es ist jetzt ein halbes Jahr her, dass ich eine „Fahrkarte“ von EE, im Süden Brandenburgs, in den Harz gelöst hatte. Rückfahrt nicht mehr vorgesehen und Reue ausgeschlossen. Einige meinten damals, das wäre ein heftiger Schritt für einen „alten“ Baum. Heute weiß ich, er war rigoros und Kompromisse nicht mehr möglich. Ein halbes Jahrhundert Leben an der Schwarzen Elster haben ein Ende gefunden. Der Baum hat die alten Wurzeln dort gelassen. Das kann man bedauern, muss man aber nicht, wenn es kaum etwas gibt, was dort noch hält. Aus dem Harz fließt die Bode und die wird ein neuer Mosaikstein meines zukünftigen Lebens hier sein. Es gibt also eher noch einmal sehr viel zu entdecken, statt im kleinbürgerlichen Umfeld eines Provinzstädtchens ohne Zukunft zu hocken und zu warten, ohne zu wissen, worauf. Die neue Kleinstadt ist größer und hat den Harz, mit Bode, Roßtrappe, Hexentanzplatz und Brocken, vor der Nase. Manchmal kann man etwas davon sehen, dann erwacht die Sehnsucht. Manchmal kann man davon nur ahnen, dann liegt es wahrscheinlich am Wetter. Manchmal lockt die Lust oder der Rest Schnee da oben, dann braucht man nur eine halbe Stunde, denn ab Drei Annen Hohne war alles noch weiß. Meine Hundelady, die kleine Lily, war überglücklich, denn sie liebt die weiße Pracht. Inzwischen ist der Schnee weggeschmolzen. Man hört wieder Vögel zwitschern, die Sonne ist wärmer geworden und der Nachbar will die ersten Zugvögel als Heimkehrer gesehen haben. Lily pieselt schon neben die ersten Schneeglöckchen hinter dem Haus und irgendwie riecht es nach frühzeitigem Frühling. Es wird auch Zeit, denn der letzte Winter war eine Fehlgeburt. An diesem sonnigen Tag ist Lily wieder einmal ziemlich aufgedreht. Sie sprintet zwischen den jungen Schneeglöckchen umher und hüpft vor lauter Übermut. Warum also nicht wieder einmal raus aus der Stadt. Bis Thale am Fuße der Berge sind es nur wenige Autominuten. Hier, wo die Bode aus dem Harz plätschert, befinden sich zwei Sessellifts, die Neugierige nach oben bringen. Der eine spannt sich über das Tal der Bode bis hoch zum Hexentanzplatz und der andere führt direkt am Hang hinauf und oben kann man zur Roßtrappe laufen. Ein mulmiges Gefühl in meiner Magengegend macht mir die Entscheidung für die Roßtrappe leicht und der freundliche Mann am Einlass meint, dass Lily auf eigene Gefahr mit in den Lift steigen darf. Wenig später schweben wir sitzend und in Baumhöhe über dem Hang. Was mir früher so gut wie gar nichts ausgemacht hat, erzeugt in mir ein Gefühl zwischen Vorsicht und Genießen, sehr zwiespältig und Lily neben mir weiß wohl auch nicht so recht, warum sie gerade schweben kann. Aber oben angekommen, ausgestiegen und ein paar Meter weg, ist sie schon wieder ganz und gar Hund und neugierig, was es hier alles zu schnüffeln gibt. Das Bergrestaurant steht hier oben einsam auf der Höhe, kaum Besucher und der Parkplatz ist fast leer. Mit Lily an der Leine gehe ich durch die Anlage hindurch auf dem Weg, am Abhang entlang über den aufgeweichten Waldboden. Ende Februar sind die Bäume und Sträucher kahl, richtig nackig und man hat freien Blick an den Stämmen vorbei hinunter ins Tal, wo die roten Dächer und hellen Wände der Häuser von Thale durch den Wald hindurch zu sehen sind. Der Weg führt über holpriges Gestein, mal nach unten und dann wieder nach oben, und immer wieder öffnet sich ein Blick zur gegenüber liegenden Talseite, zum Hexentanzplatz hin. Ich sehe die Gondeln der anderen Bahn hoch über dem zerklüfteten Tal der Bode schweben und bin heilfroh, ernst einmal die kleinere Variante gewählt zu haben. Je näher die Roßtrappe kommt, desto steiniger wird auch der Weg dorthin. Ich muss über ziemlich sperrige und hohe Stufen aus Gestein oder Fels steigen, während Lily die Vorsprünge spielend leicht überspringt. Sie scheint stets den für sie leichtesten Weg zu folgen und spart dabei auch die großen Flecken Morast nicht aus. Der felsige Grat, auf dem ich nach vorn stolpere, wird inzwischen an beiden Seiten von einem stabilen Geländer markiert und diesen Halt brauche ich auch. Hier ist der felsige Vorsprung manchmal keine zehn Meter mehr breit und an beiden Seiten geht es steil abwärts, gut 150 Meter bis zur Bode am Fuße des Tales. Die Bäume stehen wie knorrige Zaubergestalten am Fels und vermitteln in der grauen Landschaft aus Stein ein bedrohliches Gefühl. Bis hierher hatte einst der böse Ritter Bodo die schöne Königstochter Brunhilde zu Pferde verfolgt, weil sie ihn nicht heiraten wollte. Mit ihrem weißen Ross setzte sie an dieser Stelle zum Sprung über das Bodetal an. Der Pferdehuf schlug einen Abdruck in das Gestein und die Krone der Prinzessin fiel tief nach unten in den reißenden Fluss. Ihr Verfolger, Ritter Bodo, stürzte in die Tiefe, wo er sich in einen Hund verwandelte, der die Krone bewachen muss. Der Fluss aber heißt seitdem Bode. Diese alte Sage kennt wohl fast jedes Kind, nur gesehen haben den Hufabdruck nicht ganz so viele. Dieser Ort in luftiger Höhe, 403 Meter über dem Meeresspiegel, bietet einen atemberaubenden Blick in das Tal der Bode, die sich zwischen den Felsen dahin schlängelt. Im Sommer, wenn die Natur wieder ihr grünes und buntes Kleid trägt, muss das wundervoll aussehen. Vor einem halben Jahrhundert war ich schon einmal hier. Damals noch mit meinen Eltern und in meiner Erinnerung trug ich das Bild des Abdrucks im Felsen mit mir herum. Jetzt stehe ich davor und staune wieder einmal wie sich doch Erinnerung und Realität im Laufe vieler Jahre voneinander entfernt haben. Der Abdruck ist doch viel kleiner und, dem Wetter geschuldet, mit Wasser gefüllt. Im Wasser blinken Münzen, die Besucher in den Abdruck werfen. Auch von mir landet eine darin. Lily hingegen erkennt den praktischen Wert der Vertiefung und nutzt deshalb diese Gelegenheit, mit einem kräftigen Schluck vom kühlen Nass ihren Durst zu löschen: Ein anstrengender Schritt für einen Menschen, nur ein kleiner für meine Hundedame bis zur Tränke namens Roßtrappe! Für ein paar Augenblicke bleibe ich ganz vorn am Felsvorsprung der Roßtrappe stehen. Ich genieße den wunderbaren Rundblick über das Tal und den Fluss da unten, wie er sich, aus den fernen Bergen kommend, durch die Felsen bis nach Thale schlängelt, wo er die Ebene erreicht. Gegenüber steigt die Felswand empor bis zum Hexentanzplatz und auch dort werde ich sicher demnächst stehen, um das Felsmassiv der Roßtrappe zu bestaunen. Dann werde ich sicherlich mein Fernglas dabei haben und für Lily eine Flasche Wasser mitnehmen. Der Trampelpfad zurück am Hang entlang kommt mir diesmal irgendwie kürzer vor und scheint auch leichter zu begehen. Die kleine Hundlady ist mir wieder einige Schritte voraus. Sie scheint zu ahnen, dass es jetzt heimwärts geht. Wieder am Restaurant mit der Aussichtsplattform vorüber, dann haben wir bald den Lift nach unten erreicht. Was für ein fantastischer Ausblick! Diesmal mit der Sonne hinter uns, deren Strahlen die Stadt da unten in einen bunt glänzenden Fleck verwandeln, der uns langsam immer näher entgegen zu kommen scheint. Wie eine Spielzeugstadt, mit Häusern, mit Straßen und Autos sowie Kirche und Grünanlagen, so liegt Thale vor mir, quasi auf dem Boden. Viele der uns nun entgegenkommenden Sessel nach oben sind leer, denn in wenigen Minuten wird der Lift still stehen. Lily neben mir genießt ihren Hundeausblick und die Vorfreude auf ein Bad, ihren Saufnapf und eine weiche Stelle zum Ausruhen. Nachts wird sie leise wimmernd bellen und auf ihre Weise erzählen, was sie in den vergangenen Stunden alles erlebt hat. Den großen Garten im Süden Brandenburgs hat sie dann längst vergessen und nur noch die Berge, die vielen Steine und die Weite der Harzlandschaft in ihrem kleinen Hundeköpfchen.
Ich bin der RockRentner im Harz
und berichte hier von meinen Wanderungen, zufälligen Begegnungen und Entdeckungen im Harz.